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DER EIGENE SENF

Blut oder Wasser? Von der Führungsnachfolge in Familienunternehmen

Jedes dritte Familienunternehmen in Deutschland steht vor der Herausforderung die Unternehmensnachfolge regeln zu müssen. Galten angestellte Führungskräfte früher noch als unliebsame Notlösung in Familienunternehmen, ist ihr Einsatz heute selbstverständlicher. Auf der anderen Seite sind Berufsbezeichnungen wie „Frühstücksdirektor“ und „Sohn“ bzw. „Tochter“ auch keine Erfüllung versprechenden Tätigkeiten. Insofern gilt grundsätzlich: Kompetenz first!

Lange Zeit war die generationenmäßige Weitergabe der Geschäftsführung in Familienunternehmen üblich. Dies änderte sich allerdings grundlegend in jüngster Zeit. Aus unterschiedlichsten Gründen finden sich nicht immer in der Familie bereitwillige und geeignete Nachfolger.  Seit geraumer Zeit lösen sich solche Muster auf. Neue Modelle etablieren sich, die die Vorteile von externen Führungskräften verdeutlichen. Für externe Manager bieten sich dadurch zahlreiche interessante Möglichkeiten, in ein Familienunternehmen als Geschäftsführer einzusteigen. Insbesondere in Deutschland nehmen Familienunternehmen eine Sonderstellung ein und blicken auf eine lange Tradition zurück. Unter ihnen finden sich zahlreiche Weltmarktführer und Hidden Champions. Zudem genießen Familienunternehmen oft neben einem besonderen Vertrauen in der (über)regionalen Bevölkerung auch eine starke Bindung seitens der Mitarbeiter.

Mancher Manager scheut den Schritt, als Fremdgeschäftsführer in ein Familienunternehmen zu gehen. Häufig ist der Grund die Befürchtung, dass die Prozesse stark durch die Eigentümer geprägt sind und aus der ersten oder zweiten Reihe gesteuert werden. Oder es besteht Angst vor emotional geprägter Einmischung „von außen“. Genährt werden solche Ängste von der veralteten Vorstellung vom alles bestimmenden Patriarchen oder Familienclan. Jedoch hat sich in den letzten Jahren das Rollenverständnis von Top-Executives grundlegend verändert – dies gilt gleichermaßen auch für Familienunternehmen. Einzelkämpfer sind hier wie dort kaum mehr gefragt. Auch Familienunternehmen professionalisieren sich fortlaufend.

Ob es einen Konflikt zwischen Eigentümer und Geschäftsführer gibt, hängt nicht zuletzt sehr stark von der Situation ab, in der ein externer Manager in das Unternehmen kommt. Ist ein Unternehmen in Schieflage geraten, ist die Wahrnehmung und die Erwartung eine ganz andere. Gerade das sind aber auch Momente, in denen Topmanager ihre Stärken ausspielen können. Was wirklich zählt ist ein höchstes Maß an Kompetenz gepaart mit der kulturell passenden Persönlichkeit.

Aus diesem Grund halte ich es für wichtiger, sich bewusst zu machen, was für einen Fremdgeschäftsführer spricht. Bei externen Geschäftsführern kommt es insbesondere auf ihre fachliche Expertise an. Von ihrem Know-how sowie ihren Management-Fähigkeiten, ihrer Erfahrung und neuen Perspektiven können Familienunternehmen enorm profitieren. Sie bringen unschätzbaren Wert mit an den Verhandlungstisch: externe Erfahrung und persönliche Netzwerke. Für Familiennachfolger ist beides häufig eine Herausforderung, nicht selten mangels Erfahrung im externen Markt. Dazu kommt der nicht zu unterschätzende Erwartungsdruck aus dem Familien- und Unternehmensumfeld.

Ausgehend von diesen Überlegungen rücken der Auswahl- und Bewerbungsprozess in den Fokus. Darum ist auf beiden Seiten ein gesteigertes Maß an Sorgfalt gefragt, welches durch die Einbindung eines auf solche Szenarien spezialisierten Beraters sichergestellt werden kann.

Auch wenn Familienunternehmen gerade in Deutschland einen besonderen Ruf genießen, gleichen die strategischen Überlegungen denen aller anderen Unternehmen. Ein Familienunternehmen ist primär ein wirtschaftlich ausgerichtetes Unternehmen. Meiner Einschätzung nach sollten Topmanager, die sich als Fremdgeschäftsführer bewerben, vor allem auf ihre Stärken konzentrieren und sich bewusst machen, welche Vorteile sie mitbringen. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre hat vielfach gezeigt, dass der Einsatz von Fremdmanagern in Familienunternehmen ein Erfolgsmodell ist. Ein langfristiges Engagement ist gewünscht und wünschenswert, aber weder eine Selbstverständlichkeit noch eine Verpflichtung.

Und schließlich gilt auch hier: nicht jeder Manager ist für die Führungsaufgabe in einem Familienunternehmen geeignet, selbst wenn das Fähigkeitenprofil zu einhundert Prozent auf das Anforderungsprofil passt. Nur weil es geht, muss es nicht passen. Oder um es anders zu sagen: jeder Manager hat seine Zeit. Auch in einem Familienunternehmen.

Constantin von Rundstedt
Constantin von Rundstedt