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DER EIGENE SENF

Data trumps opinion. Every time. Wirklich?!

Früher war anders. Mein Hobby Rennradfahren war im letzten Jahrhundert vornehmlich ein Gefühlserlebnis, während heute kaum noch ein Rennradfahrer (nicht Radrennfahrer) ohne Radcomputer mit GPS-Funktion, Leistungsmessung und Datenaufzeichnung unterwegs ist. Das trifft auch auf mich als blutiger Hobbyfahrer zu: schuldig im Sinne der Anklage. Unter Radfahrern heißt es, wenn jemand von seinen Fahrten und Leistungen berichtet: „If it’s not on STRAVA, it didn’t happen.“ Auf STRAVA dokumentieren Millionen von Menschen ihre sportlichen Leistungen, Erfolge und Rekorde.

Ich beobachte im Markt für Personalberatung einen Trend, dass fortlaufend neue digitale Angebote Unternehmen und uns Dienstleister davon überzeugen wollen, dass diese Werkzeuge unerlässlich sind, um zukünftig noch erfolgreich(er) rekrutieren zu können. Wie stehen Sie dazu? Gilt das für alle Level von Kandidaten oder nur für ausgewählte Ebenen?

Bisher gehörte zu erfolgreicher Rekrutierung nicht nur eine Formel, die Algorithmen schneller und besser als Menschen berechnen bzw. auflösen, sondern auch eine gute Portion Menschenkenntnis. Es ist ja nicht so, dass die letzten 60 Jahre alles besonders fehlerhaft und mangelbehaftet war, was im Bereich Rekrutierung passiert ist. Ich denke vielmehr, dass zunehmend das Bauchgefühl, die Menschenkenntnis und die Erfahrung in den Hintergrund treten (sollen), weil Daten eine andere Entscheidung nahelegen. Bei einem Besuch von  Google im Silicon Valley erzählte mir vor einigen Jahren ein Senior VP HR, es gelte grundsätzlich bei Google das Mantra „Data trumps opinion. Every time.“. So würden Entscheidungen über „Hire or no hire“ stets anhand von quantitativen Faktoren getroffen, nicht mit Hilfe von „Gefühlen“. Aber nicht jede Firma auf diesem Planeten heißt Google und nicht jede Firma rekrutiert Menschen, wie Google es tut. Insofern ist die persönliche Meinung eben doch ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Besetzung von Vakanzen, zumindest in der Führungsetage. Die Verbindung des Gehirns mit dem Darm über den größten Nerv im menschlichen Körper, den Vagusnerv, ist medizinisch hinlänglich erforscht worden. Insofern ist unser Bauch unstrittig ein starker Faktor in unserer grundsätzlichen Entscheidungsfindung.

Ich würde dafür plädieren auch auf den Bauch zu horchen und nicht so sehr auf Daten zu setzen, da die erfolgreiche menschliche Zusammenarbeit eben über persönliche Passung funktioniert und nicht unabhängig davon ist. Damit sage ich nicht, dass Daten irrelevant sind. Persönlich bin ich aber überzeugt, dass immer häufiger Daten Entscheidungen leiten und das Bauchgefühl ignoriert wird. Und das ist kein guter Trend. Hören Sie auf Ihren Bauch und lassen Sie sich Ihr Bauchgefühl nicht von Daten nehmen. Meistens ist die Entscheidung entgegen dem Bauchgefühl die schlechtere.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin ein gutes Bauchgefühl!

Constantin von Rundstedt
Constantin von Rundstedt